Ausstellung Filz gestaltet Raum


Textilsammlung Max Berk, Heidelberg

25. März bis September 2024

Mein Beitrag: "Werden und Vergehen"

 Das Gedicht „Stufen“ von Hermann Hesse, dessen erste Strophe ich in meiner Arbeit zitiere, beschreibt das Werden und Vergehen des Lebens, Neubeginn und Abschied.

Ein Thema, das mir durch die Geburt meines Enkelkindes und durch den langsamen Abschied meiner hochbetagten Mutter sehr nah ist.

 

Auf einem Stück brüchigen, zerfallenden Treibholzes windet sich die Nabelschnur und symbolisiert den ewigen Kreislauf des Lebens.

Stufen

 

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf‘ um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden…
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

 

 

Hermann Hesse